Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) ist eine Strukturstörung des Zahnschmelzes im bleibenden Gebiss, die derzeit in der Öffentlichkeit viel diskutiert wird. Man nennt betroffene Zähne auch ‚Kreidezähne‘. Doch was bedeutet diese Diagnose für Ihr Kind? Was sind die neuesten Erkenntnisse zu möglichen Ursachen?
Da auch in meiner Zahnarztpraxis Schmücker in Ottobeuren immer mehr Kinder mit der Diagnostik "Kreidezähne" vorstellig werden, möchten ich Ihnen als Eltern gerne einige Informationen zukommen lassen. Ich bilde mich ständig in diesem Feld vor, neueste Erkenntnisse sind expliziert ausgewiesen.
Was ist MIH, bzw. was sind Kreidezähne? Bei der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) tritt eine Störung der Schmelzbildung insbesondere bei den ersten bleibenden Backenzähnen auf, häufig auch an den Frontzähnen. Auch Milchzähne können „Kreidezähne“ sein. Erkennbar ist die MIH an weißen bis gelblich-braunen Flecken auf den betroffenen Zähnen. Dabei gilt: Je größer und dunkler die verfärbten Stellen sind, desto stärker ist die Mineralisationsstörung.
MIH kann sich auf einzelne Höcker beschränken oder aber die gesamte Oberfläche der Zähne betreffen. Bei der schweren Form treten kleine oder größere Absplitterungen oder fehlende Schmelz- und Dentinareale auf. Die veränderten Zähne brechen in die Mundhöhle durch und sind besonders empfindlich für Kälte. Auch das Zähneputzen bereitet den betroffenen Kindern Schmerzen, sodass sie teilweise gar nicht putzen können.
„Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation" umgangssprachlich auch als „Kreidezähne“ oder auch „Käse-Molaren“ („Cheese Molars“) bezeichnet, sind zum Alptraum vieler Eltern geworden. Denn die MIH-Zähne zeichnen sich, abhängig vom Schweregrad, nicht nur durch einen Verlust der Zahnhartsubstanz und ein erhöhtes Kariesrisiko, sondern auch durch eine hohe Empfindlichkeit (Temperatur, Berührung) und oftmals schlechte Anästhesierbarkeit aus. Gerade gelbliche bis bräunliche Verfärbungen, die dabei auftreten können, sind im Frontzahnbereich auch eine ästhetische Belastung. Wenn Kinderzähne trotz guter Pflege bröckeln und vergilben, fühlen sich viele Eltern ratlos.
Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation wurde wissenschaftlich erstmals 1987 von einer schwedischen Arbeitsgruppe als eigenständiges Krankheitsbild beschrieben, es wurde beobachtet, dass die ersten Anzeichen für MIH häufig bereits im Milchgebiss auftreten, denn bei Vorliegen von Hypomineralisationen des zweiten Milchmolaren scheint die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer MIH im bleibenden Gebiss erhöht zu sein.
Es leidet hierzulande bereits heute jedes zehnte Kind an MIH. Die Ergebnisse der aktuellen fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie sprechen sogar von etwa jedem vierten Kind
Die MIH-Ursache ist trotz zahlreicher Untersuchungen mit zum Teil kontroversen Ergebnissen nach wie vor unklar. Zwischen dem achten Schwangerschaftsmonat und dem vierten Lebensjahr findet die Schmelzentwicklung der ersten Molaren (Backenzähne) und der Inzisivi (Schneidezähne) statt. Da diese bei MIH gestört ist, muss die Störung in diesem Zeitfenster aufgetreten sein. Gegenstand vieler Diskussionen ist ein multifaktorielles Geschehen. In der Forschung werden sowohl prä- als auch peri- und postnatale Einflüsse diskutiert.
Vor allem Atemwegserkrankungen wie Bronchitis, Asthma, aber auch Infektionskrankheiten, sowie gehäufte Medikamenteneinnahmen in den ersten Lebensjahren (Antibiotika, Aerosoltherapie) haben auf die Schmelzbildung beziehungsweise Schmelzreifung Auswirkungen. Störungen im Mineralhaushalt, insbesondere des für die Zahnentwicklung wichtigen Kalzium-Phosphat-Haushalts durch beispielsweise chronische Nierenerkrankungen, sind ebenfalls als mögliche ätiologische Faktoren im Gespräch. Darüber hinaus werden Umwelttoxine, darunter vor allem Inhaltsstoffe von Kunststoffen (Bisphenol A, Polychloriertes Biphenyl), also "Weichmacher" als mögliche Ursachen für die Schmelzdefekte intensiv diskutiert.
Es gibt bisher keinen eindeutigen Beweis dafür, dass Antibiotika wie Amocixillin MIH begünstigen. In puncto Fluoride ist in den meisten Studien ebenfalls kein Zusammenhang belegt worden. Daher sollten Kinder mit Fluoriden, entsprechend der aktuellen Leitlinie („Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe“) der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) für die häusliche Anwendung, versorgt werden. Ich empfehle insbesondere, zweimal täglich eine fluoridierte Zahnpasta (altersgerecht) einzusetzen, bei im Durchbruch befindlichen Molaren die Querputztechnik anzuwenden und einmal wöchentlich ein Fluoridgel durch Einbürsten zu applizieren.
Wahrscheinlich handelt es sich um ein unglückliches Zusammentreffen mehrerer Faktoren. Da die genauen Ursachen noch nicht eindeutig erforscht sind, ist der Forschungsbedarf nach wie vor groß.
Update zur Ursache (Stand Juni 2022):
Forscher der University of Melbourne und der University of Talca in Chile haben einen der Hauptgründe für die Entstehung von Kreidezähnen ausfindig gemacht. Die Forschungsergebnisse wurden Anfang des Jahres in der Zeitschrift Frontiers in Physiology veröffentlicht. Jedes fünfte Kind ist mittlerweile von den weißen Verfärbungen auf den Zähnen betroffen. Diese sogenannten Kreidezähne können Zahnschmerzen, Karies und sogar Abszesse verursachen. Bei einer schweren Hypomineralisation ist die Wahrscheinlichkeit für Karies 10-mal höher als bei einem Zahn ohne Befall. Verantwortlich sei das Protein Albumin, dieses kommt hauptsächlich im Blut und in der Gewebsflüssigkeit, die sich um den Zahn herum befindet, vor. Wenn der sich in Entwicklung befindende Zahn nun mit diesem Protein in Berührung kommt, bindet das Albumin die Mineralkristalle am Zahnschmelz und behindert so deren Wachstum. Dies führt zu den weißen Flecken auf den Zähnen. Auslöser für diese Reaktion sind laut Forschern harmlose Kinderkrankheiten wie Fieber. Die Forschungserkenntnisse könnten eines Tages dazu beitragen, eine Prophylaxe zu entwickeln, die dabei hilft, die Bildung von Karies bei Kindern zu reduzieren. Weitere Studien über die Entstehung von Kreidezähnen sollen mit besonderem Augenmerk auf Umweltfaktoren und verschiedene Krankheitserreger folgen.
Update zur Ursache (Stand Juni 2021):
Neuesten Ergebnissen zufolge gibt es einen erkennbaren Zusammenhang zwischen Medikamenten und der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), umgangssprachlich Kreidezähne genannt. „Kinder haben häufiger Kreidezähne, wenn sie in den ersten vier Lebensjahren bestimmte Antibiotika erhalten haben. Vor diesem Hintergrund muss erneut auf deren verantwortungsvollen und indikationsgerechten Einsatz hingewiesen werden. Antibiotika sind ohne jeden Zweifel segensreich. Doch die Prämisse lautet auch hier, so viel wie nötig und so wenig wie möglich“, sagte der Vorstandsvorsitzende der BARMER, Prof. Dr. Christoph Straub. Bisher sei über die Entstehung der Kreidezähne nur wenig bekannt. Das mache sie besonders tückisch. Die Ernährung habe auf deren Entstehung wahrscheinlich keinen Einfluss. Regelmäßiges Zähneputzen könne Kreidezähne nicht verhindern, da die Zähne bereits geschädigt durchbrechen. Somit sei Prävention nahezu unmöglich. Für die Eltern betroffener Kinder sei das eine wichtige Botschaft. Sie haben nichts falsch gemacht!
Quelle: https://www.zwp-online.info/zwpnews/dental-news/branchenmeldungen/barmer-zahnreport-2021-kreidezahne-sind-antibiotika-die-ursache
Diagnostik
In der Diagnostik kann MIH mit anderen Schmelzbildungsstörungen verwechselt werden. Dazu zählen vor allem die Amelogenesis imperfecta (eine genetisch bedingte Dysplasie, von der alle Milch- und bleibenden Zähne betroffen sind) und die Fluorose (chronische Überfluoridierung). Auch müssen die Schmelzhypoplasie und die Tetracyclinverfärbung der Zähne sowie traumatisch bedingte Schmelzopazitäten von der MIH abgegrenzt werden. Das günstigste Untersuchungsalter für die MIH-Diagnose beträgt etwa sechs bis acht Jahre, da dann in der Regel alle vier Molaren (bleibende Backezähne) und Inzisiven (bleibende Schneidezähne) durchgebrochen sind. Später besteht die Gefahr einer Überlagerung der MIH durch Karies oder zahnfarbene Restaurationen, wobei verbliebene Opazitäten an Füllungsrändern oftmals einen MIH-Zahn als solchen entlarven. Der Ausprägungsgrad der MIH kann dabei eine milde bis schwere Form annehmen.
Im zahnärztlichen Praxisalltag ist eine möglichst frühzeitige Diagnose schon während des Zahndurchbruchs, also bereits mit sechs Jahren, sinnvoll. Durch eine zunächst gegebenenfalls auch temporäre therapeutische Intervention kann man dann frühzeitig einen weiteren Substanzverlust vermeiden.
Therapie
Was können Zahnärzte und ZFA therapeutisch konkret tun? Bei einer milden Ausprägung der MIH (ohne Zahnhartsubstanzverlust) sollte der Zahnarzt den betroffenen Zahn ähnlich wie einen gesunden, allerdings hoch kariesgefährdeten Zahn behandeln und ihn gegebenenfalls mit einer Fissurenversiegelung unter vorheriger Verwendung eines Adhäsivs versorgen. Zusätzlich sollte er bei regelmäßigen Kontrollen im Abstand von etwa drei bis sechs Monaten bis zu viermal im Jahr einen hoch konzentrierten Fluoridlack (22.600 ppm) auftragen. Beides sind Maßnahmen, die primär der Kariesprophylaxe dienen. Beides bitte ich als ihr Zahnarzt in Ottobeuren, Memmingen und Kempten selbstverständlich an.
Ist es bereits zu einem Verlust von Zahnhartsubstanz gekommen, wird der Zahnarzt, abhängig vom Durchbruchzustand des Zahns und dem Schweregrad des Defekts, eine Füllung aus einem zunächst temporären (zum Beispiel Glasionomerzement) oder direkt definitiven Füllungsmaterial (Komposit) beziehungsweise eine Teil- oder Vollüberkronung (wie konfektionierte Stahlkrone, individuell im Labor oder per CAD/CAM-Verfahren gefertigte Kompositkronen) des Zahns empfehlen. Amalgam ist zur Versorgung von MIH-Zähnen nicht geeignet. In sehr schweren MIH-Fällen kann nach Absprache mit einem Kieferorthopäden auch die Entfernung des betroffenen Zahns mit anschließendem kieferorthopädischem Lückenschluss sinnvoll sein.
Da wir in unserer Zahnarztpraxis besonderen Wert auf eine Prophylaxe, beziehungsweise Prävention in der Kinderbetreuung setzen, sind wir in puncto MIH unbedingt sensibilisiert und achten auf milchige, sowie bräunliche Verfärbungen, insbesondere der zweiten Milchmolaren. Betroffene MIH-Zähne werden bei uns, abhängig vom Schweregrad, engmaschig kontrolliert. Bei schweren MIH-Formen kann ein Recall-Intervall von zwei bis drei Monaten notwendig sein. In jedem Fall sollten Schmerzsensationen vermieden und das Vertrauen der Kinder gewonnen werden.
Im Umgang mit unseren kleinen Patienten verfolgen wir vor allem das Prinzip „Erklären-Zeigen-Tun“.
Termine: 08332-8323
Wir helfen Ihnen und ihren Kindern: Zahnarzt Schmücker in Ottobeuren
Seit 2001 wird die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (kurz: MIH) als eigenständige Diagnose gestellt. Vorher wurde sie entweder als ideopathische Schmelzfehlbildung oder eben erst als Karies erkannt. Heute ist sie klar definiert und wird in drei verschiedene Schweregrade, die jeweils eine andere Therapie erfordern, unterschieden. Meistens findet man die MIH an bleibenden Backenzähnen und Schneidezähnen. Die Zähne sind dann gelblich-weiß oder braun verfärbt und sehen „porös“ aus. Allerdings wird sie auch ab und zu bereits an Milchzähnen oder anderen bleibenden Zähnen gefunden.
Die Ursachen der MIH sind leider bis heute nicht geklärt. Es werden verschiedene Auslöser diskutiert, darunter Sauerstoffmangel bei der Geburt, Antibiotikaeinnahmen während der Schwangerschaft oder in der frühen Kindheit, zu langes Stillen, Mangelernährung, Plastiknuckel und andere. Sicher ist bisher nur, dass der Schmelzmantel der betroffenen Zähne weniger gut mineralisiert ist. Das bedeutet, dass diese Zähne häufig empfindlicher als „normale“ Zähne sind und auch anfälliger für Karies oder Säureattacken. Hinzukommend kann es spontan zu Absprengungen von Zahnstücken kommen. Die betroffenen Patienten haben teilweise sogar schon beim Zähneputzen Schmerzen. Eine besonders gute Mundhygiene ist bei Patienten mit einer MIH allerdings extrem wichtig. Leider reicht gutes Putzen bei der MIH oft nicht aus und die Zähne bekommen Karies, obwohl zuhause alle Vorsorgemaßnahmen getroffen werden. Wir empfehlen als zusätzlichen Schutz regelmäßige Zahnarztbesuche, am besten in Abständen von 3 Monaten. Die MIH-Zähne werden dabei prophylaktisch hochdosig fluoridiert, außerdem können fortschreitende Substanzverluste frühzeitig erkannt und behandelt werden. Weitere Optionen für die häusliche Versorgung der MIH Zähne sind täglich verwendete kariesprotektive Mundspüllösungen und regelmäßige Anwendung von Tooth Mousse oder anderen hochfluoridhaltigen Präparaten wie Elmex Gelee wöchentlich.
Wie sieht die optimale Behandlung eines MIH-Zahnes aus?
MIH Grad 1: Die MIH ersten Grades stellt vor allem ein ästhetisches Problem dar. Die Zähne haben gelblich-braune Flecken und manchmal Absprengungen im Schmelz. Meist sind diese Zähne noch nicht empfindlich. Hier empfiehlt sich im Seitenzahnbereich eine frühzeitige Versiegelung, um dem Zahn optimalen Schutz zu geben. Bei bleibenden Frontzähnen kann der Patient entscheiden, ob ihn die fleckigen Zähne stören und er diese eventuell mit Kunststofffüllungen oder aufgeklebten Verblendschalen (Veneers) optisch den anderen Zähnen angleichen möchte. Es besteht allerdings rein funktionell kein Behandlungsbedarf.
MIH Grad 2: Bei der MIH zweiten Grades sind die Zähne nicht nur verfärbt, sondern weisen auch eine veränderte Form auf. Teilweise fehlen schon Stückchen vom Zahn und dem Patienten fallen diese Zähne zum Beispiel als temperaturempfindlich auf. Diese Zähne kann man meistens sehr gut mit Kunststofffüllungen versorgen. Hierzu müssen allerdings vorerst alle porösen Anteile des Zahnes entfernt werden, um einen idealen Klebeverbund zwischen Zahn und Füllung gewährleisten zu können. Eine solche Füllung kann den Zahn stabilisieren und deckt meist auch die empfindlichen Areale ab. Wichtig für die Langlebigkeit solcher Füllungen ist eine gute Mundhygiene. Es ist also die Mitarbeit des Patienten gefragt.
MIH Grad 3: Manchmal können auch Zähne mit einer MIH dritten Grades noch mit Füllungen versorgt werden. Meistens allerdings sind die Substanzverluste der Zähne so großflächig, dass nur noch eine Versorgung mit einer Krone oder die Entfernung des Zahnes angeraten werden können. Die Entfernung eines Zahnes (Extraktion) kann zum Beispiel bei jungen Patienten angezeigt sein, wenn der Zustand und Schweregrad der MIH vermuten lassen, dass der Zahn auch trotz aufwendiger Rekonstruktion nicht auf Dauer gehalten werden kann. Hier bietet sich es an, den Zahn zu entfernen und die Lücke durch den von hinten anschließenden Zahn zu schließen.
Viele Zahnärzte vertreten noch den Standpunkt, jeden Zahn so lange wie möglich zu erhalten. Auf die Versorgung mit Füllungen folgt dann irgendwann eine prothetische Versorgung mit einer Krone und eventuell Wurzelkanalbehandlungen. Enden tut diese Abwärtsspirale meistens mit Extraktion und Zahnersatz anhand von Brücken oder Implantaten. Für den Patienten bedeutet das häufig, über Jahrzehnte mit der Problematik und Versorgung dieser Zähne beschäftigt zu sein. Zudem häufen sich immer wieder Kosten an. Eine neue Sichtweise auf die Therapie der MIH stellt deswegen eine frühzeitige Entfernung der betroffenen Zähne dar, um dem Patienten eine so lange, teure und aufwendige Versorgung zu ersparen.
Ablauf der Extraktionstherapie bei MIH
Diese Art der Therapie erfordert eine gute Zusammenarbeit von verschiedenen Fachdisziplinen und dem Patienten. Nach der Diagnose einer therapiebedürftigen MIH durch den Zahnarzt, muss zunächst eine umfassende kieferorthopädische Diagnostik durchgeführt werden. Anhand verschiedener Röntgenbilder, Gebissmodellen und Fotos des Patienten kann die Situation eingeschätzt werden und eine individuelle Therapie geplant werden. Teilweise ergibt diese Analyse auch, dass eine Entfernung der Zähne aufgrund des individuellen Wachstumsmusters nicht zu empfehlen ist, da diese große funktionelle oder ästhetische Nachteile ergeben würde. In dem Fall würde man eher zur Erhaltung des Zahnes raten. Wenn die Analyse allerdings grünes Licht für die Entfernung der MIH-Zähne ergeben hat, muss der korrekte Zeitpunkt gewählt werden. Auch der optimale Zeitpunkt für diesen Eingriff ist von Patient zu Patient unterschiedlich. In manchen Fällen nutzt man gern den Wachstumsschub zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr aus, um die Lücken kieferorthopädisch zu schließen. In anderen Fällen möchte man die Lücken gern beibehalten, um bereits bestehende Engstände der Zähne auszugleichen. Um die Harmonie der Zahnbögen zu bewahren, kann es manchmal sinnvoll sein, nicht nur die betroffenen Zähne zu entfernen, sondern auch die entsprechenden Zähne auf der gegenüberliegenden Seite oder im anderen Kiefer. Wichtig ist, dass nach Abschluss der Therapie jeder Zahn gut abgestützt und eingereiht ist. Insgesamt ist diese Therapieoption die endgültigste. Allerdings ist sie noch so neu, dass sie nicht alle Zahnärzte kennen und/oder unterstützen. Unser Praxisteam bleibt weiterhin am Ball und informiert sich über alle neuen Erkenntnisse aus der Wissenschaft, um Ihnen und Ihren Kindern immer optimale Therapievorschläge machen zu können.
Zusammenfassung:
WAS BEDEUTET MIH?
MIH steht für Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation und wird umgangssprachlich auch als Kreidezähne bezeichnet. Hierbei handelt es sich um einen Zahnschmelzdefekt, bei dem der Zahn nicht die gewohnte Härte aufbaut. Bei der Hypomineralisation, dem Aufbau des Zahnes, fehlen wichtige Mineralien, weshalb sich der Zahn bei MIH verfärbt und dabei porös und brüchig werden kann. Dabei können Milchzähne als auch nachwachsende Zähne betroffen sein. Bei dieser Krankheit werden die Backenzähne (Molaren) und die Schneidezähne (Inzisiven) angegriffen, daher der Name Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation. Die Molaren sind bei dieser Krankheit generell häufiger betroffen als die Inzisiven.
WAS SIND KREIDEZÄHNE BZW. WARUM SPRICHT MAN VON KREIDEZÄHNEN?MIH wird auch Kreidezähne genannt, da die Konsistenz der Zähne bei dieser Krankheit an Kreide erinnert. Dabei können die Zähne weich und brüchig werden oder im schlimmeren Fall sogar in mehrere Teile zerfallen. Ähnliches kann auch mit einem Stück Kreide passieren, wenn darauf zu viel Druck ausgeübt wird. Die Oberfläche der Zähne ist rau und porös und kann bei fortgeschrittener Krankheit stark kariesanfällig werden. Die Brüchigkeit ist auf eine falsche Materialzusammensetzung des Zahnschmelzes zurückzuführen. Dabei enthalten die Zähne zu viel Wasser und Protein und zu wenig Mineralien beim Zahnschmelzaufbau. Gerade das Mineral Hydroxylapatit trägt einen großen Teil zur Stabilität bei, fehlt jedoch bei MIH beim Zahnschmelzaufbau.
WIE ENTSTEHEN KREIDEZÄHNE?Auf eine genaue Ursache lassen sich Kreidezähne nicht zurückführen. Zudem wird nicht eine einzelne Ursache, sondern das Zusammenspiel mehrerer Faktoren für die schlechte Entwicklung der Zähne verantwortlich gemacht. Die Wissenschaft geht unter anderem von folgenden möglichen Ursachen bei Kreidezähnen aus:
- Umwelttoxine
- (chronische) Erkrankungen des Kindes (vor allem Atemwegserkrankungen)
- Erkrankung der Mutter während der Schwangerschaft
- Weichmacher, wie z.B. Bisphenol A in Spielzeug oder Plastikflaschen
- Antibiotika in den ersten Lebensjahren
- Mangel an Vitamin D oder an Kalzium
Kreidezähne lassen sich zudem erst beim Durchbruch der Zähne erkennen. Dadurch können Ursachen, welche schon weiter hinten in der Vergangenheit liegen, nicht oder nur schwer festgestellt werden und erschweren die weitere Forschung. Kreidezähne sind nicht vererbbar. Vorbeugende Maßnahmen sind nicht bekannt. Trotz regelmäßiger, gründlicher Zahnhygiene und gesunder Ernährung können Kreidezähne aus noch unbestimmten Ursachen auftreten. Eine Kontrolluntersuchung beim Zahnarzt ist daher immer zu empfehlen.
BETRIFFT MIH NUR BEZIEHUNGSWEISE HAUPTSÄCHLICH KINDER? WARUM?
MIH tritt nur bei der Entwicklung der Zahnkronen und nicht mehr zu einem späteren Zeitpunkt im Leben auf. Die Entwicklung des Zahnschmelzes fängt ungefähr im 8. Schwangerschaftsmonat an und endet etwa im fünften Lebensjahr. Wenn ein Zahn fertig entwickelt ist, kann dieser nicht mehr von MIH befallen werden. Daher tritt MIH nur bei Kindern auf. Die Konsistenz der weicheren Zähne wird mit in das Erwachsenenalter genommen. Findet keine Behandlung im Kindes- oder Jugendlichenalter statt, können weitere Schäden am Zahn auftreten, bis es im schlimmsten Fall zu einem kompletten Zerfall der Zahnhartsubstanz kommt.
WAS SIND DIE SYMPTOME VON MIH?Die Symptome zeigen sich erst nach Durchbruch der Milchzähne. Dies geschieht in den Jahren 6 bis 8. Ab 8 Jahren sind in der Regel alle Backenzähne sichtbar. Es bietet sich daher bei Durchbruch der letzten Zähne an, beim Zahnarzt einen Kontrolltermin zu vereinbaren. Dabei muss nicht der Verdachtsfall auf MIH im Vordergrund stehen. Unsere Zahnarztpraxis ist speziell auf eine Kinderbehandlung ausgelegt. Wir kümmern uns gerne um Sie und Ihre Kleinsten. Typische Symptome bei MIH sind die Hitze- und vor allem die Kälteempfindlichkeit der Zähne. Beim Kauen, beim Zähneputzen oder wenn Druck auf die Zähne ausgeübt wird, können zudem starke Schmerzen entstehen. Bei MIH kommt es zudem zu einer farblichen Veränderung an manchen Stellen der betroffenen Zähne. Je nach Schwere der Krankheit reicht die Einfärbung von weiß-cremefarben bis hin zu einem gelblich-braunen Ton. Die dunklen Farben entstehen, wenn der Zahnschmelz durchdrungen wurde und die Krone angreifbar für Bakterien wird.
An der Härte der Zähne lässt sich MIH ebenso erkennen. Poröse, weichlichere Zähne deuten auf die Erkrankung hin. Es können auch Teile des Zahnes absplittern oder beim Herausfallen des Zahnes bricht dieser in zwei oder mehrere Teile. Die Symptome sind von einem Zahnarzt schnell zu erkennen. Bei Verdacht daher unbedingt die Zahnarztpraxis kontaktieren, bevor es zu schlimmeren Auswirkungen kommt.
WIE LÄUFT EINE BEHANDLUNG BEI MIH AB?Eine Heilung von MIH ist nicht möglich. Das Fortschreiten der Krankheit lässt sich aber mit Gegenmaßnahmen eindämmen. Bei Feststellung von MIH kommt es bei der weiterführenden Behandlung auf die Schwere der Fehlmineralisierung an. Bei einer leichten Ausprägung von MIH wird der Zahnschmelz nicht stark angegriffen, das Innere des Zahnes liegt nicht offen und es liegen nur leichte Verfärbungen vor. In regelmäßigen Terminen, alle drei bis sechs Monate, wird bei der Behandlung ein hochkonzentrierter Fluoridlack auf die betroffenen Zähne aufgetragen, um den Zahnschmelzaufbau zu verbessern. Eine mittlere Ausprägung liegt vor, wenn die Zahnhartsubstanz betroffen ist. Hierbei wird bei der Behandlung auf Füllungen und (Teil-) Kronen zurückgegriffen. Ist die Krankheit MIH zu weit fortgeschritten, kann eine langfristige Behandlung zu spät sein und es kann zu einer Entfernung des Zahnes kommen. Bei Milchzähnen kann dabei der nächste Zahn nachwachsen.
Wie kann MIH therapiert werden, welche Möglichkeiten haben sich in der Praxis besonders bewährt und welche sind vor allem auf lange Sicht erfolgreich? Wie sieht hierzu die aktuelle Studienlage aus?
Für die MIH gibt es kein „One fits all“-Konzept. Therapieoptionen müssen in Abhängigkeit vom vorliegenden Schweregrad einer MIH betrachtet werden. Generell umfassen die Behandlungsoptionen bei betroffenen Molaren die Intensivprophylaxe, Versiegelungen, restaurative Maßnahmen oder sogar die Extraktion. Unabhängig von der Schwere des Defektes sollten jedoch alle betroffenen Kinder in einem Intensivprophylaxeprogramm betreut werden. Weisen MIH-betroffene Molaren bereits posteruptive Schmelzeinbrüche auf, stehen für deren Restauration verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl, die von unterschiedlichen Faktoren abhängig sind: Patientenalter, Compliance, Ausdehnung und Qualität (Härte) der Zahnhartsubstanz sowie Schweregrad der MIH. Das Spektrum reicht von Glasionomerzementen, die ideal zur initialen und provisorischen Versorgung von frisch eruptierenden MIH-Molaren sind, über Stahlkronen als Langzeitprovisorium bis zu Kompositfüllungen oder indirekten Restaurationstechniken als definitive Versorgungsvariante.
Behandlung ist gut, Prävention ist besser. Welche Präventionsmöglichkeiten gibt es für MIH?
Präventionskonzepte für die MIH müssen etwas differenzierter betrachtet werden. Eine Vermeidung der Entstehung der Erkrankung ist nicht möglich, da die ätiologischen Faktoren nicht hinreichend geklärt sind. Der Fokus liegt deshalb bei der Sekundärprävention, die das frühzeitige Erkennen der Krankheit umfasst. Sie hat zum Ziel, zumindest ansatzweise die Progression der MIH durch gezielte Behandlungen zu verhindern.
Remineralisierung des Zahnschmelzes erfolgt über den Einsatz von Fluorid. Wie sieht aktuell die Studienlage zum Einsatz im jungen Gebiss aus? Wofür werden Fluoride im Rahmen der Behandlung von MIH-Patienten eingesetzt?
Das Haupteinsatzgebiet der Fluoride bei MIH liegt unzweifelhaft im Rahmen der Kariesprophylaxe. Zudem wurde gemutmaßt, dass Fluoride auch in der Behandlung von Hypersensibilitäten bei MIH helfen könnten. Die Studienlage diesbezüglich ist jedoch immer noch nicht ausreichend.
Welche Folgen hat eine Nichttherapie von MIH, vor allem mit Blick auf das übrige Gebiss?
Auch dies hängt vom vorliegenden Schweregrad der MIH und dem Vorliegen einer Therapienotwendigkeit. So werden beispielsweise betroffene nicht hypersensible Molaren mit kleinen weißlichen Opazitäten lediglich in ein Prophylaxekonzept entsprechend des Kariesrisikos eingebunden. Weitere Therapiemaßnahmen sind vorerst nicht erforderlich. Stark destruierte überempfindliche Molaren hingegen bedürfen einer schnellen Versorgung, um die Kaufunktion wiederherzustellen und das Kind schmerzfrei zu bekommen.
Inzwischen wurde festgestellt, dass MIH bei Milchzähnen auftreten kann, die Milchmolaren-Hypomineralisation (MMH). Tritt diese bei bestimmten Milchzähnen besonders auf und welche Folgen hat die MMH für die späteren bleibenden Zähne?
Wie der Name bereits vermuten lässt, findet sich diese Strukturanomalie im Milchgebiss an den Molaren. In der Regel sind dies die zweiten Milchmolaren. Jüngst konnte in einer Metaanalyse gezeigt werden, dass Kinder mit einer MMH ein fünfmal höheres Risiko haben, auch eine MIH zu bekommen.5 Eine Erklärung dafür könntein den sich teilweise überschneidenden Entwicklungs- und Mineralisierungsphasen der beiden Zähne liegen. Wenn ein Risikofaktor genau während dieser Periode auftritt, kann sich die Hypomineralisation gleichzeitig im primären und permanenten Gebiss manifestieren.
Aktuell sind die Karieszahlen für Kinder und Jugendliche rückläufig. Die Fälle an MIH sind im Vergleich allerdings hoch.
Wie sehr beeinflusst MIH das Kariesrisiko und welche Zusammenhänge zwischen beiden Erkrankungen gibt es?
Generell gelten frühere Karieserfahrungen als ein wichtiger Prädiktor für das Entstehen neuer kariöser Läsionen. Interessanterweise zeigt sich bei der MIH jedoch, dass betroffene Kinder auch mit wenig Karieserfahrung früher von Karies betroffen zu sein scheinen als Patienten ohne MIH. Insbesondere die ersten bleibenden Molaren sind vermeintlich früh involviert. Allerdings sollte der vorliegende Schweregrad nicht außer Acht gelassen werden. Mild betroffene Molaren ohne Hypersensibilitäten weisen ein geringeres Risiko auf als stärker fehlstrukturierte Molaren mit Überempfindlichkeiten, die nicht gut geputzt werden können.